
Vorbemerkung: Vera F. Birkenbihl lebte zu der Zeit, als sie die meisten Texte ihres privatesten Buches „Stories & Poems: Made in USA“ verfasste, im US-Bundesstaat Missouri. St. Louis hatte Mitte der 1960er Jahre etwa 700.000 Einwohner:innen; bis heute hat sich diese Zahl mehr als halbiert, jedoch wohnen in der Metropolregion Greater St. Louis inzwischen rund 2,8 Millionen Menschen. In der Stadt befinden sich mehrere Hochschulen, darunter die Washington University, die Saint Louis University und die University of Missouri-St. Louis. Die Stadt war früher ein bedeutender Verkehrsknotenpunkt mit gleich mehreren Bahnhöfen, liegt an der legendären „Route 66“ und der Missouri war viele Jahrzehnte lang ebenso ein wichtiger Handelsweg in die und aus der Stadt. Bekannt wurde St. Louis auch wegen verschiedener Prominenter, die dort geboren wurden oder aufwuchsen. So ist es die Heimatstadt von Chuck Berry, hier wohnten und arbeiteten auch Ike & Tina Turner, Miles Davis, Josefine Baker oder Charles Lindbergh. Ebenso kamen und kommen Schauspieler:innen wie Kevin Kline, Vincent Price und Linda Blair aus St. Louis oder Persönlichkeiten wie die TV-Predigerin Joyce Meyer, der Boxer Michael Spinks und der Literaturnobelpreisträger T. S. Eliot. Lindbergh, der 1927 als erster Mensch einen Nonstop-Transatlantikflug von New York nach Paris schaffe, nannte sein Flugzeug „The Spirit of St. Louis“, weil er damit seiner Heimatstadt und besonders den Geschäftsleuten dort Ehre erweisen wollte, die seinen historischen Flug finanziell ermöglicht hatten.

Viele Fans und Freunde von Vera F. Birkenbihl kennen sie ausschließlich als Trainerin / Lehrende / Dozentin, als Sachbuchautorin / Aufklärerin / eine Person die an allen Aspekten der Wissenschaft und des Lebens interessiert war. Und doch macht es ein Menschenbild erst komplett, wenn man auch andere Aspekte seiner Persönlichkeit kennt. In ihrem Buch „Stories & Poems: Made in USA“ , 1987 im eigenen „A-Verlag“ veröffentlicht, inkl. vieler Zeichnungen (die VFB »freimaus« auf dem Mac erstellt hatte), lernt man eine ganz andere Seite von VFB kennen: einen sehr privaten Menschen, der hier einleuchtende Einblicke in neue, andere Aspekte der Person Vera Felicitas liefert.

MIt den Worten »Geschichten & Gedichte sind mir zwischen 1969 und 1972 zugeflogen, als ich noch in den USA lebte. Wenn Sie Englisch lesen können und eine etwas andere Vera F. Birkenbihl kennenlernen möchten, dann kaufen Sie dieses Buch.« macht sie von Anfang an klar, was die Leserschaft hier erwartet und doch zeigt die Lektüre des rund 100 Seiten starken Buches, wie sehr sich VFB hier öffnet.
Seien es berührende Gedichte für ihren Onkel Werner und Großmutter Emily (Anm.: im Anhang des Buches gibt Birkenbihl – wie bei allen ihren Arbeiten – Quellenangaben und dort erhält man einen seltenen Einblick in die Familie ihrer Mutter Anna, deren Bruder und VFBs Großmutter mütterlicherseits, die sie hier sehr liebevoll beschriebt), in denen man auch erfährt, dass es Emily war, die VFBs Liebe zum Teetrinken, vielleicht sogar zum Rauchen, entfachte. Auszug:
»Du sagtest, Du wärest zu jung, um eine Oma zu sein, deshalb nannte ich dich immer Emily (…) als ich bei Dir saß und wir starken schwarzen Tee tranken (…) und die Asche Deiner Zigaretten herabfiel …«, bis hin zu einer Nacherzählung des Abends am 26. April 1946 aus Sicht ihrer Eltern: dem Tag ihrer eigenen Geburt. Lt diesem Text wurde Vera F. Birkenbihl nicht zuhause und auch nicht in einem Spital sondern auf der Straße geboren – der zweite Weltkrieg war noch nicht einmal ein Jahr vorbei –, als ein Blindgänger explodierte und»dem alten Enninger« das Leben raubte. Ihre Mutter habe lt. Birkenbihls Erzählung noch „Ich dachte, dass wir ewig leben werden …“ gesagt, als sie Enningers Leichnam sah und unmittelbar darauf hätten die Wehen eingesetzt.

Im Vorwort zur Neuauflage Anfang der 2000er Jahre bei Breuer & Wardin schrieb sie: »Die erste Veröffentlichung dieses Büchleins geschah 1987 im Selbstverlag. Sie hat so guten Anklang gefunden, dass wir alle 10.000 Stück verkauft haben, und nun war das Buch seit Jahren vergriffen. Die alten Datenträger waren nicht mehr lesbar, und es wäre mir hier nicht möglich gewesen, alles noch mal nachzuarbeiten. Aber als das VERLAGSKONTOR als Verleger auftreten wollte, sagte ich sofort zu. Wir haben (bis auf minimale Fehler-Korrekturen) alles belassen (nachgestellt), somit können auch Kursleiter, die einige der Texte im Unterricht eingesetzt haben, weitermachen. Und eine deutsche Version wird noch folgen (Stories übersetzt, Gedichte de-kodiert), für alle, die auf fortgeschrittenem Niveau Englisch üben wollen oder für FreundInnen, die nicht Englisch lesen können. Es geht also weiter …« – Ein kleines, aber gleichwohl wichtiges Detail zur ersten Auflage von „Stories & Poems“ gegenüber späteren Auflagen: Im Epilog von 1987 schreibt VFB noch, sowohl Emily als auch Werner »starben, jeder von ihnen aus eigener Hand …«, während die Erwähnung von Selbstmord später von ihr ausgelassen wurde.


Da Birkenbihl nie ein autobiografisches Werk geschrieben hatte, erlauben gleich mehrere Texte aus diesem Buch wenigtens knappe Einblicke in ganz private Aspekte ihres Lebens. In der Geschichte „April 1946 – Munich“ erfährt man u. a. auch, wie sehr sich ihr Vater ursprünglich einen Sohn gewünscht hatte, den er im Gedenken an den gerade Verstorbenen mit zweitem Vornamen „Emminger“ nennen wollte und schließlich im Mondlicht erkannte: es ist eine Tochter »… und ich stieß meinen ersten Schrei aus.« Selbst wenn man hier künstlerische Freiheit unterstellen kann, kommen an bestimmten Stellen doch wohl einige Wahrheiten „ans Licht“, zumal ihr Vater Michael bei der Erstveröffentlichung 1987 ja noch lebte. Besonders ergiebig zu ihrer Münchner Zeit ist „Reflection: Coming Home“ vom Oktober 1972 (= ein Text, den Birkenbihl mit ins Buch aufnahm, obwohl er nicht „Made in USA“ war; siehe hier! / auch „Calcutta“ zählt zu diesen „deutschen“ Texten).
Interessant auch der Intellekt, mit dem sich Vera F. Birkenbihl (wieder einmal, dieses Mal aber in den USA) gegen Lehrkräfte, die nichts verstehen bzw. verstanden hatten und nur reagierten anstatt zu agieren, auflehnte. Es war rund ein Jahr vor ihrer Rückkehr nach Deutschland und VFB antwortete der Lehrkraft „Madame Schaeffer“ von der University of Missouri – ihrem Studienort – poetisch auf deren vernichtende Kritik auf ein Birkenbihl-Gedicht. Anstatt Anerkennung (»oder ein Lächeln«, wie sie schreibt) erntete VFB von Frau Schaeffer den erschrockenen Ausspruch über ihre Arbeit: „Es ist wirklich schrecklich, sehen Sie das nicht selbst?“ Vera F. Birkenbihl schrieb ihr als Antwort einen Brief in Gedichtform in dem sie klarstellte: »Das hat mich wirkliich sprachlos gemacht, aber es war mein Gedicht, das Sie so reagieren ließ. Und dafür nehme ich Ihre Reaktion gerne als Anerkennung entgegen, falls ich das darf.«
Zusammengefasst lässt sich sagen: Dieses Buch von Vera. F. Biirkenbihl im englischen Original zu lesen ist atemberaubend interessant. 2008 gab es bei Breuer & Wardin zwar auch die deutsche Version des Buches, aber es im Original zu lesen, das ist ja nun wirklich kein Problem, gibt es doch zum Glück „Englisch lernen für Einsteiger 1+2″ (Der original Birkenbihl-Sprachkurs auf 3 CDs). In „Calcutta“ deutet sie zudem an, dass ihr ihre blühende Phantasie öfters einen Streich spielen würde, da sich die Kombination von Alltagserlebnissen sowie die unzähligen Bücher, deren Inhalt sie in sich »aufgesaugt« hatte, gemischt mit dem Erlernen untschiedlichster Sprachen, zu sinnumfassenden „Erinnerungen“ verweben, bei denen es schwer sei, zu interscheiden, ob diese echt seien oder nur „Staub der Fantasie“ (wie es Andreas Bourani in „Nur in meinem Kopf“ ausdrückte).*

* = „Ich wär gern länger dort geblieben, doch die Gedanken komm’n und fliegen. Und das ist alles nur in meinem Kopf.“ von Julius Hartog / Andreas Bourani / Thomas Olbrich © 2011 Bmg Rights Management Gmbh
