Vera F. Birkenbihl (*1946 | †2011)

Vera F. Birkenbihl wurde am 26. April 1946 in München geboren als Tochter von Anna Birkenbihl (*1926, †1976) und des Mediziners und Psychologen Michael Birkenbihl (*1921, †1993) – fast genau ein Jahr zuvor war die ehemalige „Hauptstadt der NS-Bewegung“ von US-Soldaten der 7. Armee erobert worden. Ihr Vater war in den 1970er und 1980er Jahren ein international anerkannter Personal- und Managementtrainer, Buchautor (u. a. „Train the Trainer“ und „Karriere und innere Harmonie“ ) und Unternehmensberater, während ihr Großvater der in der bayerischen Hauptstadt zur ersten Hälfte der 20. Jahrhunderts recht bekannte Psychologe, Autor („Dämonische Novellen“ ) und Übersetzer (u. a. „Märchen meines Lebens“ von Hans Christian Andersen) Prof. Dr. Michael Josef Maria Birkenbihl (*1877, †1960) war, der an der Handelsakademie wirkte.

Vera F. Birkenbihl berichtete später recht wenig über ihre frühen Münchner Jahre, nur, dass sie als Kleinkind erst sehr spät zu sprechen begonnen habe, sich dafür jedoch für eine Vielzahl von Dingen interessiert zeigte. Schnell nach ihrer Einschulung 1952 haderte sie mit dem restriktiven Schulwesen und erkannte mit 13 Jahren, dass sie in der Schule nicht lernen konnte, zuhause aber schon. O-Ton Birkenbihl: »Mein Schulversagen führte dazu, dass ich die Schule nach der 10. Klasse (damals ‚5. Klasse‘ auf dem Gymnasium) verlassen musste und mich mit Jobs durchschlug, während ich einen Weg suchte, doch weiterzulernen.« Sie erkannte, dass ein reines Einpauken von Wissen kontraproduktiv war und unterrichtete bereits als Teenager Erwachsene nach einer eigenen Methode beim Sprachenkernen. Mitte der 1960er Jahre ging VFB mit ihrem Vater in die Vereinigten Staaten – auch für Vera F. Birkenbihl eine „neue Welt“; möglch wurde dies u. a. durch die Erbschaft des Großvaters.

Die sog „Resident Alien Card / Formular I-551“ (auch ‚Green Card‘ genannt) wurde noch auf dem Schiff vor der Ankunft in den USA ausgestellt. Anfangs lebte Birkenbihl nahe ihres Vaters in Kalifornien, wo sie dank eines bestandenen „College-Entrance-Tests“ ohne Abitur bzw. Highschool-Abschluss Psychologie und Journalismus studieren konnte und gab unter dem Titel „PHILLIT“ eine eigene Zeitschrift heraus. Mit Anfang 20 – Vera F. Birkenbihl wohnte damals in St. Louis – schloss sie ihr Studium mit dem M. A. of Psychology ab und entwickelte ihre Lerntechniken, basierend auf den damals vorliegenden Erkenntnissen der Hirnforschung, weiter.

Insgesamt währte ihr USA-Aufenthalt sieben Jahre, wobei sie ihren Lebensunterhalt in den verschiedensten beruflichen Bereichen verdiente, unter anderem als Bedienung, Verkäuferin, Schaufensterdekorateurin und indem sie erste Kurse mit „brain-friendly“ Vorträgen und Seminaren veranstaltete. Mitte 1968 heiratete sie John Hotze, einen amerikanischen Computertechniker mit Schweizer Wurzeln, doch weil sie sich ihre autarke Arbeits- und Lebensweise nicht einschränken lassen wollte, endete die Ehe bereits 1970 mit der Scheidung.

Bereits zu ihrer Zeit als Studentin an der University of Missouri in St. Louis hatte VFB 1969 mit belletistischen Texten – Geschichten und Gedichten* – ihre literarische Arbeit begonnen; gleichwohl hatte sie es als deutsch-stämmige Autorin und Dozentin schwer, akzeptiert zu werden. Nach einer Fehlgeburt und persönlichen Enttäuschungen im Jahre 1971 entschloss sie sich im Sommer 1972 zur Rückkehr in die Bundesrepublik und nach München, wo sie als freie Trainerin, Dozentin und Autorin arbeitete. Bereits 1973 veröffentlichte sie mit „Die persönliche Erfolgsschule“ ihr erstes eigenes Buch. Vera F. Birkenbihl lebte seit Ende der 1970er Jahre mit ihrem Vater im Landkreis Dachau, nahe der bayerischen Landeshauptstadt, und gründete dort ihr Institut für gehirn-freundliches Arbeiten, für das sie 1983 die Wortschöpfung „gehirn-gerecht“ erfand.

O-Ton Birkenbihl aus dem Jahre 2005: »Viele, die Jahrzehnte lang über mein Konzept des gehirn-gerechten (mit Bindestrich) Vorgehens gelästert oder gelacht haben, verwenden den Begriff inzwischen (ohne Bindestrich) stillschweigend. Einige, die sich am meisten aufgeregt hatten, sprechen heute lieber von Neuro-Didaktik – was nichts anderes bedeutet, nur eben als Fremdwort ausgedrückt.«

Von fast allen anderen Trainer:innen hob sich Vera F. Birkenbihl dadurch ab, dass sie ihre verschiedenen Lehr- und Lern-Konzepte nicht als Dogma ansah, sondern sie stattdessen beständig neu überprüfte und immer dann, wenn sie dies für notwendig hielt, editierte oder neu überarbeitete. Legendär ist folgender Satz aus einem ihrer Seminare: »Reißen Sie diese Seite aus meinem Buch heraus. Es ist jetzt alles ganz anders!« Über vier Jahrzehnte lang vermittelte VFB so vor zusammengerechnet Hunderttausenden von Seminar-Teilnehmerinnen und -Teilnehmern ihre Erkenntnisse, beispielsweise über das leichtere Erlernen von Fremdsprachen und zu Themen wie der persönlichen Weiterentwicklung, der Kundenorientierung oder Mitarbeiterführung

Hierzu reiste sie in den deutsch-sprachigen Ländern seit den 1980er-Jahren mit verschiedenen Camping- und Wohnmobilen (die bei ihr „Büromobile“ hießen, weil sie ihr zugleich Wohnung und Büro waren) jedes Jahr rund sieben Monate durch die Lande und die Büromobile wurden, obwohl Vera F. Birkenbihl bei langen Fahrten auf den Autobahnen nach eigenem Bekunden nicht wirklich wohl war, immer größer, angefangen beim VW-Bulli, über einen Mercedes-Bus bis hin zum Hymer-Mobil. Eine Besonderheit war auch, dass VFB, was Veranstaltungstechnik betraf, stets auf den neuesten Stand der Technik setzte. So nutzte sie live gleich mehrere Profi-Overhead-Projektoren und als eine der ersten Donzent:innen in Deutschland drahltlose Funkmikrofone. Zudem schrieb sie ihre Bücher auf Apple-Computern und fertigte viele Zeichnungen digital mit Hilfe der Computermaus.

Der Bayerische Rundfunk produzierte mit Birkenbihl zum Jahrtausendwechsel zwei Reihen populärer TV-Sendungen: „Alpha / Sichtweisen für das dritte Jahrtausend“ (1999 / 2000 Megaherz TV mit insgesamt acht Folgen als Mitwirkende sowie verschiedenen Gästen und Sabine Sauer als Moderatorin. Buch: Uli Langguth & H. P. Fischer) sowie schließlich als Hauptperson „Kopfspiele“ (2004 / 2005 mit insgesamt 22 Folgen. Buch: Vera F. Birkenbihl). Für verschiedene Printmedien, darunter die Frankfurter Allgemeine Zeitung (dort u. a. die beliebte „Gehirntraining“-Serie), schrieb Vera F. Birkenbihl regelmäßig Artikel sowie Kolumnen und veröffentlichte sogar Handbücher zur Funktionsweise von Computerprogrammen wie „Simons‘ Basic“ für den Commodore 64.

Die German Speakers Association nahm VFB 2008 in die Hall of Fame, einen auserwählten Kreis überragender Referenten und Trainer, auf. Im Laufe der Zeit wurde sie für ihre Forschungen und ihr Wirken gleich mit mehreren Preisen ausgezeichnet, so war sie 2010 Gewinnerin des „Coaching Award“ für besondere Verdienste und Leistungen auf der Coaching Convention©.

Birkenbihl bekannte sich erst spät dazu, unter dem Asperger-Syndrom zu leiden. Dies ist eine Austistmus-Spektrum-Störung, bei der sensorische Über- und Unterempfindlichkeiten auftreten, die soziale Interaktionen erschweren, dafür häufig jedoch außergewöhnliche Interessen und Begabungen feststellbar sind, was ihrer professionellen Produktivität keinen Abbruch tat. Oft wurde VFB als eine (Zitat) „seriöse Trainerpersönlichkeit“ bezeichnet – innerhab der BIRKENBIHL SAMMLUNG hat sich mittlerweile der Ausdruck „ernsthafte Trainerpersönlichkeit“ durchgesetzt –, denn sie kam aus einer Familie von Psychologen, hatte in den USA Psychologie studiert, besaß also stets eine wissenschaftliche Sicht auf all das, was sie vermittelte. Und schließlich war VFB Ersterfinderin ihrer Stoffe und Programme, schrieb über die Jahre einen Longseller nach dem anderen, gab immer korrekt ihre Bezugsquellen an und erschloss konsequent und fortlaufend völlig neue Themen.

Große Summen ihres erwirtschafteten Geldes re-investierte sie in ihre Arbeit. So mietet sie sich teure Veranstaltungstechnik an und betrieb eine professionelle Webseite. Fast alle ihre öffentlichen Auftritte wurden als Ton- und/oder Videodokument mitgeschnitten und von ihr über Verlage, externe Dienstleister oder eigene Produktionsfirmen vermarktet, um Menschen „UP Another LEVEL“ (also „… auf eine höhere Ebene“) zu bringen, wie sie es sogar als T-Shirt Botschaft unter die Menschen brachte.

Die bekannteste ihrer etwa 100 Buch-Publikationen ist mit „Stroh im Kopf?“ (Erstveröffentlichung 1983 im Verlag GABAL) ein Werk über Lerntechniken, das inzwischen rund 60 Mal aufgelegt wurde. Als Autorin liegt ihre Gesamtauflage an Büchern, CDs, Audio- und Video-Kassetten sowie DVDs (inklusive der unter ihrem Pseudonym Carola Algernon veröffentlichten Werke) Mitte der 2020er Jahre bei ungefähr drei Millionen. Heute noch verkaufen sich die Bücher der im Dezember 2011 verstorbenen Vera F. Birkenbihl weit mehr als 1.000 mal pro Monat und Ihre Videos erzielen Millionenaufrufe auf SocialMedia-Kanälen wie YouTube und TikTok. Besonders beliebt sind hierbei ihre genial einfachen Erklärungen schwieriger Zusammenhänge und erstaunlichen VFB-Methoden, so etwa mit „null Ahnung“ Grundkenntnisse von Sprachen wie Arabisch, Chinesisch, Englisch, Japanisch zu erlernen oder sogar das Wesentlichste zum Thema Quantenphysik. Drei Jahre vor ihrem Tode lölste Vera F. Birkenbihl ihr angestammtes Institut in Bayern auf und übersiedelte der besseren Luft wegen nach Norddeutschland in den Ort Osterholz-Scharmbeck nahe Bremen und der Nordsee, wo sie in ihrem neuen Institut bis unmittelbar vor ihrem Tode Bildungsveranstaltungen abhielt.

Gedenktafel für Vera F. Birkenbihl mit
einem Zitat aus „Der kleine Prinz“
von Antoine de Saint-Exupéry

Bei ihren Seminaren vor Publikum (oder Live-Entertaiment-Shows, wie man dies heute nennen würde) arbeitete Birkenbihl mit sog. Analograffitis (Anm.: Diese Wortneuschöpfung lies sich VFB sogar rechtlich schützen …), das sind im weitesten Sinne assoziative Wort-Bilder nach den von ihr entwickelten KAWA- (… dies steht für „Kreative Analografitti | Wort-Assoziation“) und KAGA-Verfahren (… für „Kreative Analografitti | Grafische Assoziation“ / siehe auch HIER). Nehmen wir zum Beispiel ein KaWa für „LEVEL“. In assoziativer Ausdrucksweise könnten die einzelnen Buchstaben stehen für: „Leicht | Einprägsames | Verfahren | Effizienteren | Lernens“ oder aber auch für „Lacht | Einer | Viel | Entsteht | Leichtigkeit“ und so weiter. Vera F. Birkenbihl konnte sich oft stundenlang mit solchen Assoziationen beschäftigen, denn das befreite ihr Gehirn von Denkblockaden.

Oft heißt es bei Krebserkrankungen im Nachruf, Menschen seien „nach kurzer schwerer Krankheit“ verstorben und genau das traf auch auf das Ableben VFBs zu: zwischen der Diagnose der Krankheit und ihrem Tode lagen nur etwa sieben Monate. Deshalb kam ihr Tod sowohl für die Menschen, die sie verehrten, aber auch ihr engstes Umfeld, relativ unerwartet und brachte einige schwierige Auswirkungen für das Werk von Vera F. Birkenbihl mit sich. Die von ihr durchgeführte wissenschaftliche Arbeit zum Thema des gehirn-gerechten Lernen und Lehrens, ihre permanente Auswertung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse aus der Gehirnforschung, verbunden mit einem Überarbeiten und Aktualisieren ihrer Werke sowie die ebenso inspirierenden wie lehrreichen Buch-Tipps fanden im Dezember 2011 von einem auf den anderen Tag ein jähes Ende und konnten bis heute nicht adäquat weitergeführt werden.

Da sie keine Nachkommen hatte, pausierte für fast zehn Jahre der weitere Vertrieb der von ihr verfassten Bücher, Sprachkurse, CDs, Videos und DVDs aus Lizenzgründen oder kam ganz zum Erliegen. Allerdings fanden sich Freunde und Förderer, die im Sinne Birkenbihls aktiv wurden und ihr Werk würdigten, darunter der 2019 in Krefeld gegründete Verein „Nach Vera F. Birkenbihl – up another level„, mit dem Ziel der Förderung von Wissenschaft und Forschung sowie der Volks- und Berufsbildung im Sinne von VFB oder die im thüringischen Jena 2020 entstandene BIRKENBIHL SAMMLUNG & ARCHIV zu Werk und Wirken von Vera F. Birkenbihl, dem ihres Vaters Michael sowie des Großvaters Prof. Birkenbihl, die erreichen möchte, dass so wenig wie möglich von den Dingen verloren gehen, die VFB etwas bedeutet hatten.

Nebenbei bemerkt: Wer ihr Werk näher kennenlernen möchte, der findet es u. a. auf amazon, schaue sich beispielsweise eines ihrer archivierten Community-VIDEOS an oder besuche ihre Webseiten www.vera-birkenbihl.de bzw. www.birkenbihl-uni.ch. – Wenn es Sie interessiert: Rainer W. Sauer, Leiter von BIRKENBIHL SAMMLUNG & ARCHIV und Birkenbihl-Experte, lehrt seit Jahrzehnten im Rahmen seiner Veranstaltungen und BRAIN.EVENTS auch nach Erkenntnissen Vera. F. Birkenbihls zum Gehirnmanagement. Mehr Infos hierzu gibt es unter www.brain.events oder in DIESEM Artikel im Internet-Blog „Über den Umgang mit Veränderung“.


* = 1987 im engischen Original als „“Stories & Poems“ im eigenen A-Verlag 8603 Odelzhausen veröffentlicht, 2008 übersetzt und dekodiert im Verlagskontor breuer & wardin als „Geschichten und Gedichte“.